25.09.2025

Business Value durch KI: Anforderungen verstehen, Lösungen gestalten

Diese Beitragsreihe widmet sich der Frage, wie sich mit KI-Lösungen messbarer Wert für das Unternehmen schaffen lässt
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Alastair Gill
Principal Data Scientist
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KI
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Unsere bisherigen Beiträge konzentrierten sich darauf, das Geschäftsproblem systematisch zu erfassen und gemeinsam mit den wesentlichen Stakeholdern ein tragfähiges Verständnis zu entwickeln – als Basis für Lösungen mit echtem geschäftlichem Mehrwert.

Nun richten wir unseren Blick darauf, wie sich eine Lösung konkret und sinnvoll in die bestehenden Abläufe und Strukturen eines Unternehmens einfügen lässt – und wie sie dabei echten Mehrwert stiften kann. Auch wenn dieser Schritt zunächst unkompliziert erscheinen mag, ist er entscheidend dafür, dass die Lösung später tatsächlich im Unternehmen angenommen und genutzt wird.

Zwar lassen sich Machine-Learning-Modelle (ML) gezielt dafür trainieren, bestimmte Fragen zu beantworten, und generative KI (GenAI) kann auf kuratierte Prompts reagieren – doch die einfache Input/Output-Logik dieser Modelle passt häufig nicht unmittelbar zu den komplexen Anforderungen, die sich aus geschäftlichen Problemstellungen ergeben.

Wie also würde ein KI-Experte an ein solch klar geschäftsorientiertes Projekt herangehen? Um diese Frage zu beleuchten, betrachten wir in diesem Beitrag ein typisches Beispiel: Ein leitender Stakeholder verfolgt das ambitionierte Ziel, mithilfe einer KI- oder ML-Lösung Marketingprozesse im Unternehmen zu automatisieren.

In einem solchen Szenario ist es oft notwendig, mehrere Modelle und technische Komponenten miteinander zu verknüpfen, um eine Lösung zu entwickeln, die dem Nutzer tatsächlich einen Mehrwert bietet. Denn das zugrunde liegende Problem – ebenso wie die Erwartungen des Kunden – lässt sich selten sauber in das klassische Schema „Daten rein, Inferenz raus“ einer traditionellen KI oder in das „Prompt/Antwort“-Prinzip generativer KI einordnen.

Gerade deshalb ist ein tiefgehendes Verständnis des Business-Problems essenziell: Nur so lässt sich die bestehende Lücke – die oft wie eine schwer greifbare Blackbox erscheint – in klar verständliche und praktisch umsetzbare Bestandteile auflösen.

Es gibt hierfür zwar kein universelles Rezept, da jeder Anwendungsfall individuelle Herausforderungen mit sich bringt. Dennoch hat sich für KI-Projekte im Allgemeinen ein strukturierter Ansatz bewährt, der sich in folgenden Schritten gliedern lässt:

  • Zunächst gilt es, die gewünschte Funktionalität des geplanten Tools oder Systems klar zu definieren und auch die Benutzeroberfläche mit zu berücksichtigen.
  • Im nächsten Schritt sollte eine umfassende Bestandsaufnahme der verfügbaren Daten erfolgen: Welche Datenquellen existieren, wie gut sind sie zugänglich, und wie aktuell und vollständig sind sie?
  • Das übergeordnete Problem lässt sich in der Regel in einzelne Teilaufgaben zerlegen, die mithilfe spezifischer KI-Technologien – etwa maschinellem Lernen, natürlicher Sprachverarbeitung, Computer Vision oder generativer KI – bearbeitet werden können.
  • Können für die verbleibenden Lücken mehrere Ansätze kombiniert werden, um sie zu lösen?
  • Können hierfür Regeln erstellt werden?
  • Bleiben dennoch Lücken bestehen, kann der Mensch als Teil der Lösung eingebunden werden – etwa, um Entscheidungen zu treffen oder Vorschläge des Systems zu bewerten. Idealerweise lässt sich dieses menschliche Verhalten beobachten, strukturieren und perspektivisch in Modelle oder Regeln überführen – ein Vorgehen, das sich auch eignet, um schwächer performende KI-Komponenten gezielt zu ergänzen.

 

 

Im Verlauf der Ausarbeitung der Geschäftslogik ist es essenziell, stets den konkreten Mehrwert der einzelnen Komponenten im Blick zu behalten – ebenso wie die verfügbaren Ressourcen in Bezug auf Budget und Zeit. In der Praxis hat es sich bewährt, eine sogenannte Value Map zu erstellen: Welche Aufgaben sind für das Unternehmen besonders wertvoll, aber schwer zu automatisieren? Und welche Tätigkeiten sind zwar zeitaufwendig, lassen sich jedoch mit Hilfe von KI vergleichsweise einfach automatisieren?

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Abbildung 1: Illustration einer KI-Lösung. Beachten Sie, dass die beiden roten Quadrate die KI enthalten, dass aber der Großteil der Lösung darauf abzielt, sie durch Zuordnung zur Business-Logik nützlich zu machen und sie in die Lage zu versetzen, mit Daten und Benutzern zu interagieren.

Am Beispiel einer KI-Lösung zur Automatisierung von Marketingprozessen zeigt sich deutlich, wie wichtig es ist, den praktischen Nutzen im Blick zu behalten: Nach der Auswahl vielversprechender Anwendungsfälle wurde etwa entschieden, ein Modell zur Vorhersage von Kundenabwanderung (Churn) zu entwickeln. Dieser Anwendungsfall lässt sich klar dem Bereich des klassischen maschinellen Lernens (ML) zuordnen – allerdings könnte ein ähnliches Vorgehen auch mit generativer KI umgesetzt werden, je nach technologischem Ansatz.

Die technischen Details zum Aufbau des Modells lassen wir an dieser Stelle außen vor. Wichtig ist: Das Modell scheint zuverlässig zu funktionieren – es kann mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen, ob ein Kunde abwandern wird. Dabei ist zu beachten, dass die Bewertung der Modellleistung stets im Kontext des konkreten Business-Ziels erfolgen muss – und idealerweise im Vorfeld gemeinsam mit den relevanten Stakeholdern definiert wurde.

Selbst wenn die technischen Herausforderungen – wie die Anbindung an Datenquellen und die Integration in bestehende IT-Infrastrukturen – erfolgreich bewältigt wurden (ein Aspekt, der häufig unterschätzt wird), stellt sich dennoch die zentrale Frage: Trägt das Modell tatsächlich dazu bei, geschäftlichen Mehrwert zu schaffen?

 

Um an das zentrale Thema unseres vorherigen Beitrags anzuknüpfen: Es ist entscheidend, nicht isoliert zu arbeiten. Damit das Ergebnis den gewünschten und erwarteten geschäftlichen Effekt erzielt – und nicht als Lösung wahrgenommen wird, die erst im Nachhinein nach einem passenden Problem sucht – ist es notwendig, weiterhin eng mit den verantwortlichen Stakeholdern und künftigen Nutzern zusammenzuarbeiten.

Im konkreten Fall könnte der Weg zum geschäftlichen Mehrwert darin bestehen, die Vorhersagen des Modells direkt den Marketingteams im Unternehmen bereitzustellen. Auf dieser Basis lassen sich gezielt Personen ansprechen, bei denen eine Abwanderung wahrscheinlich ist – wodurch proaktive Maßnahmen zur Kundenbindung möglich werden.

 

Ein zentraler Aspekt bei der Nutzung von ML-Modellen im operativen Alltag ist die Frage, wie deren Ergebnisse für die Anwender:innen tatsächlich nutzbar gemacht werden können. Gerade im Marketingkontext ist es wahrscheinlich, dass die Modellausgaben in eine entsprechende Benutzeroberfläche eingebettet werden – doch wie sollte die Information präsentiert werden, damit sie auch verständlich und handlungsrelevant ist?

Rohwerte wie Wahrscheinlichkeiten im Bereich von 0,0 bis 1,0 sind für viele Nutzer:innen wenig aussagekräftig und bieten ohne Kontext kaum Mehrwert. Stattdessen kann eine Klassifikation in Kategorien wie „hoch“, „mittel“ oder „niedrig“ hilfreicher sein – oder eine priorisierte Darstellung, etwa durch Hervorhebung der Top-N oder der Top-N-Prozent der Kunden mit dem höchsten Abwanderungsrisiko.

Dieses Beispiel zeigt deutlich: Im gesamten Projektverlauf müssen wiederholt konkrete Entscheidungen getroffen werden – und zwar im engen Schulterschluss mit den relevanten Stakeholdern. Nur so lässt sich sicherstellen, dass das Projekt nicht nur technisch funktioniert, sondern am Ende auch ein Ergebnis liefert, das im Arbeitsalltag einen echten Nutzen bringt.

 

Die gezielte Bereitstellung der Modellausgaben in einer für das Marketingteam sinnvollen und nutzbaren Form bietet gleich mehrere Vorteile: Einerseits lässt sich so der konkrete Mehrwert des Modells unmittelbar demonstrieren – was wiederum hilft, die Akzeptanz bei den Nutzer:innen zu fördern. Andererseits kann dies der Einstiegspunkt für weiterführende Entwicklungen sein, etwa in Richtung weitergehender Automatisierung oder einer vollständig integrierten End-to-End-Lösung.

Dieses Vorgehen verdeutlicht exemplarisch den doppelten Nutzen einer engen Zusammenarbeit mit Nutzergruppen und Entscheidungsträgern: Zum einen wird so der tatsächliche Wert der Lösung im realen Anwendungskontext validiert. Zum anderen dient dieser Austausch als strategischer Kontrollpunkt, der zu einer Ausweitung des Projektumfangs oder zu weiterem Investitionsinteresse führen kann.

Am Beispiel einer Marketingabteilung, die KI zur Automatisierung ihrer Prozesse einsetzen möchte, haben wir gezeigt, wie sich ein KI-Modell – in diesem Fall ein Modell des maschinellen Lernens – in bestehende Geschäftsprozesse integrieren lässt. Dabei stand im Fokus, wie das Modell so gestaltet und eingebunden werden kann, dass es für die Endnutzer:innen nicht nur technisch zugänglich, sondern auch tatsächlich hilfreich ist – und so echten geschäftlichen Mehrwert liefert.

Im nächsten und abschließenden Beitrag dieser Reihe werfen wir einen Blick auf die praktischen Aspekte: Wie wird aus einem konzeptionellen KI-Projekt eine funktionsfähige, produktive Lösung im Unternehmensalltag?

Haben Sie Fragen? Wir helfen Ihnen gerne weiter.

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